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Verwertung von Rauchgasreinigungsrückständen durch Stabilisierung illegal?

Kali- und Salzindustrie kämpft um Einlagerung von MVA-Abfällen

Die Vollzugsbehörden in den neuen Bundesländern werden die Verwertung von stabilisierten Abfällen aufgrund von gewonnenen neuen Erkenntnissen einer eingehenden Überprüfung unterziehen müssen. Dies ist das Ergebnis des 11. VGB-Workshops „Produkte aus der thermischen Abfallverwertung“. In dem gemeinsamen Workshop des VGB (Verband der Groß-Kraftwerksbetreiber) und des ITAD (Interessenverband thermischer Abfallbehandlungsanlagen in Deutschland) diskutierten Experten am 4. November 2009 in Wuppertal über die Umweltauswirkungen von unterschiedlichen Entsorgungswegen für Rückstände aus Abfallverbrennungsanlagen.

Mehrere Referenten haben sich dabei mit der Stabilisierung von Rauchgasreinigungsrückständen und deren Verwertung auseinander gesetzt und die derzeitige Praxis erheblich in Frage gestellt. Die neuen Erkenntnisse werfen die Frage auf, ob es sich bei der Verwertung von stabilisierten Abfällen nicht um eine illegale Entsorgung handelt. Damit könnte den neuen Bundesländern ein weiterer Umweltskandal bevorstehen.

Seit mehreren Jahren würden durch Behandlungsanlagen in den neuen Bundesländern gefährliche Abfälle, so auch Rauchgasreinigungsrückstände, scheinbar stabilisiert, um diese Abfälle nach der durchgeführten Behandlung als nicht gefährlicher Abfall im Rahmen von Deponieverwertungsmaßnahmen auf Deponien für nicht gefährliche Abfälle einzubauen. Diese Praxis, die in der Vergangenheit unter dem Begriff der Immobilisierung bereits zu kontroversen Diskussionen geführt hat, würde auch durch länderspezifische Erlasse wie in Sachsen-Anhalt, bislang noch als grundsätzlich zulässig erachtet.

In Anbetracht der auf dem 11. VGB-Workshop mitgeteilten Ergebnisse neuerer wissenschaftlicher Untersuchungen und getroffener juristischer Bewertungen, die auch zwischenzeitlich vom Abfalltechnikausschuss der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall übernommen worden sind, dürfte die derzeitige Praxis so wohl kaum fortgeführt werden können.

Dabei kommt einer umweltverträglichen, nachhaltigen Entsorgung der bei der Verbrennung entstehenden, schadstoffbelasteten Rückständen aus den Rauchgasreinigungsanlagen eine sehr große Bedeutung zu. Carsten Spohn, Geschäftsführer der ITAD, hat in Vertretung von Dr. Ella Stengler vom CEWEP (Europäischer Verband der Abfallverbrennungsanlagen) die wachsende Bedeutung der thermischen Behandlung für die europaweite Entsorgung von Haushalts- und Gewerbeabfällen betont. Durch die in den letzten Jahren stark gestiegenen und auch in Zukunft noch weiter steigenden Anlagenkapazitäten im Bereich der thermischen Abfallbehandlungsanlagen (Haus- und Industriemüllverbrennungsanlagen, EBS-Kraftwerke, Biomassekraftwerke) ist eine langfristig gesicherte ordnungsgemäße Entsorgung für die anfallenden Rauchgasreinigungsrückstände von zentraler Bedeutung. Zweifelhafte Entsorgungslösungen werden diesen Anforderungen nicht gerecht.

Seit einigen Jahren werden gefährliche Verbrennungsrückstände in einer Größenordnung von 100.000-200.000 Tonnen pro Jahr, mit steigender Tendenz u.a. in speziellen Behandlungsanlagen sogenannt stabilisiert, um sie anschließend auf obertägigen Deponien für nicht gefährliche Abfälle, kostengünstig im Rahmen von Abdeckungs- und Rekultivierungsmaßnahmen zu verwerten. Ziel dieser Stabilisierung soll es sein, die Schadstoffe, wie Schwermetalle, lösliche Salze und hochgiftige Dioxine und Furane, durch Fixierung einzubinden, damit sie durch die natürlichen Witterungsverhältnisse auf Übertage-Deponien nicht ausgetragen und in die Umwelt (Biosphäre) emittiert werden können.

Auf die Wirksamkeit dieser sogenannten Stabilisierung gingen insbesondere Prof. Dr. Klöß von der Universität Leipzig und Dr. Grüßing vom TÜV Hannover ein. Beide Experten haben sich in intensiven Studien mit diesem Problemfeld wissenschaftlich und technologisch auseinander gesetzt und beide kommen zu einem gleichen Fazit: „Die Stabilisierung von gefährlichen und ultragefährlichen Bestandteilen, wie sie in staubförmigen Rückständen aus der Abfallverbrennung signifikant enthalten sind, gelingt – wenn überhaupt – nur teilweise und in keinem Falle langfristig.

Eine Verbringung solchermaßen vorbehandelter, gefährlicher Abfälle auf obertägigen Deponien für nicht gefährliche Abfälle, ist ökologisch völlig inakzeptabel und sollte umweltpolitisch und -rechtlich schnellstens unmöglich gemacht werden.

Die wissenschaftlich nachgewiesene Fragwürdigkeit der Praxis der Stabilisierung ist dann noch durch eine juristische Bewertung untermauert worden. Der Rechtsexperte Dr. Olaf Konzak aus Köln zeigte auf, dass die derzeitige Praxis hinsichtlich ihrer Ordnungsgemäßheit auf den Prüfstand gehört, weil die Einstufung der behandelten als gefährlich einzustufenden Verbrennungsrückstände als nicht gefährlicher Abfall nur dann zulässig ist, wenn die gefährlichen Inhaltsstoffe in nicht gefährliche Inhaltsstoffe vollständig umgewandelt und nicht lediglich eingebunden worden sind und der Behandlungserfolg auch tatsächlich vor der Verbringung auf die Deponie eingetreten sein muss. Er vertrat weiterhin die Auffassung, dass die Stabilisierungsrichtlinie des Landes Sachsen-Anhalt, die als Grundlage für die Verbringung von scheinbar stabilisierten Materialien auf Deponien herangezogen wird, mit Bundesrecht nicht vereinbar und damit nichtig ist.

Dabei gibt es in Deutschland schon lange eine umweltverträgliche, langzeitsichere Entsorgungslösung für gefährliche Verbrennungsrückstände. Seit mittlerweile mehr als zwei Jahrzehnten werden solche Abfälle langzeitsicher, also auf Tausende von Jahren abgeschottet von der Biosphäre, in Bergwerken der Kali- und Steinsalzindustrie sowohl im Zuge von Beseitigungsmaßnahmen (Untertage-Deponien) als auch im Zuge von Verwertungsmaßnahmen (Bergversatz) umweltverträglich entsorgt. Mit den Standards der untertägigen Entsorgung in Kali- und Steinsalzbergwerken befasste sich der ausführliche Beitrag von Dr. Jörg Dörfel, UEV Heilbronn.

In der an die Fachvorträge anschließenden Diskussion kamen die Experten auf dem Podium und die Fachleute im Auditorium rasch zu einer einhelligen Meinung: „Eine billige Scheinverwertung von gefährlichen Abfällen auf unsicheren Obertage-Deponien ist nachfolgenden Generationen gegenüber unverantwortlich und steht nicht im Einklang mit den hohen Umweltanforderungen in der Europäischen Union. Der Vollzug in den neuen Bundesländern wird aufgefordert, die Behandlungspraxis dieser Anlagen einer eingehenden Überprüfung auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse zu unterziehen, um illegale Scheinverwertungen zu unterbinden. Der Vollzug muss dem nachhaltigen Schutz der Umwelt dienen und die heutigen wie auch die nachfolgenden Generationen vor Schaden bewahren.

Quelle: VKS – Verband der Kali- und Salzindustrie e.V., Ausschuss Entsorgungswirtschaft

erschienen am: 2009-11-15 im europaticker


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