Sächsische Staatsministerium
Für Umwelt und Landwirtschaft
Hr. Abt.-Leiter Dr. Klaus Jeschke

01075 Dresden




11.02.2004
Diktatzeichen: He/Ei



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V-18/04

Flutung des Resttagebaulochs Delitzsch-Südwest (Werbeliner See)

Sehr geehrter Herr Dr. Jeschke,

ich hatte Ihnen bereits per E-Mail meinen Antrag an das VG Leipzig zum sofortigen Stopp der Flutung des o.g. Resttagebaulochs zukommen lassen.

  1. Ich beantrage hiermit ausdrücklich, dass das RP Leipzig von der Durchführung des wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahren (PFV) entbunden und das Verfahren auf das RP Dresden übertragen wird.

    Zur Begründung verweise ich auf das bisherige Verhalten des RP Leipzig. Dieses hat meiner festen Überzeugung entgegen allen rechtlichen Bestimmungen des WHG die Flutung des Resttagebaulochs Delitzsch-Südwest zugelassen. Dies war angesichts der Größe des Vorhabens und der Auswirkungen auf die Umwelt, insbesondere auf die Grundwasserverhältnisse, absolut unzulässig.

    Daneben sind in den Planfeststellungsunterlagen keinerlei Hinweise auf die illegalen Ablagerungen von Leichtshredderfraktionen auf der Deponie Lissa enthalten (S. 58). Die Ablagerungen dort waren dem RP Leipzig, insbesondere dem zuständigen Ableitungsleiter, Herrn Artmann, aber auch dem für den Beginn der Flutung verantwortlich zeichnenden ehemaligen stellvertretenden Regierungspräsidenten Karl Noltze bekannt. Dies ergibt sich aus den in dem Referat 63 vorliegenden Unterlagen betreffend die Deponie Lissa.

    Es ist absolut unverständlich und eigentlich unglaublich, dass diese Erkenntnisse nicht in das PFV, insbesondere nicht in die Umweltverträglichkeitsstudie eingeflossen sind.

    Gleichzeitig wurde die Öffentlichkeit über den tatsächlichen Beginn des PFV vorsätzlich falsch unterrichtet. Aufgrund der von mir gesichteten Verfahrensakte kann kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass der Antrag auf Durchführung des PFV eindeutig bereits am 16.12.1997 durch die LMBV gestellt wurde. Der Antrag wurde so ausdrücklich noch einmal wiederholt am 15.02.2001. Die Öffentlichkeit, insbesondere die durch den mittlerweile entstandenen Grundwasseranstieg betroffenen Bürgen wurden jedoch in dem Glauben gehalten, dass der Antrag auf Durchführung des PFV erst im Mai 2003 gestellt worden ist. Dadurch wurden sie daran gehindert, effektiven Rechtsschutz einzulegen (insb. Stopp-Antrag bei VG Leipzig).

  2. In diesem Zusammenhang erlaube ich mir folgende Fragen:

    1. Warum wurden die Shredderabfälle nicht beseitigt (wie dies beispielsweise in Nürnberg bei einer wesentlich geringeren Menge von 1.000 t geschehen ist)?

    2. Warum findet sich in den Unterlagen des PFV keinerlei Hinweis auf diese illegalen Abfälle?

    3. Warum wurde nicht veranlaßt, dass wenigstens die Deponiesickerwässer aus der Deponie Lissa aufgefangen und gefahrlos entsorgt werden?

    4. Warum wurde das PFV nicht bereits im Jahr 1997 eröffnet und eine allgemeine Öffentlichkeitsbeteiligung spätestens im Jahr 1998 durchgeführt?

    5. Warum wurde nicht darauf bestanden, dass seitens des Vorhabenträgers LMBV ein Antrag nach § 9 a i.V.m. § 31 IV WHG gestellt wurde?

    6. Warum wurde, nachdem ein Antrag nach § 9 a WHG nicht gestellt wurde, kein sofortiger Flutungsstopp ausgesprochen?

    7. Warum wurde nicht wenigstens eine Auflage erteilt, dass der Werbeliner See nur zu einem Teil geflutet wird (z.B. Wasserstand 92 m, so wie von der Bürgerinitiative verlangt)?

    8. Mit Verfügung vom 2.10.98 hat das RP Leipzig den Kreiswerken Delitzsch aufgegeben, im Zusammenhang mit der Schliessung der Deponie Lissa eine sog. Gefährdungsabschätzung für die Deponie durchzuführen.
      Ist diese Gefährdungsabschätzung erstellt worden, wenn ja wann?
      Wenn nein, warum wurde nicht auf die Erstellung gedrungen, da doch insbesondere die Grundwassergefährdung wegen der fehlenden Abdichtung der Deponiesohle bekannt war und daher umfassender Aufklärungsbedarf bestand?

    Ich denke, im Namen nicht nur meiner Mandantin, sondern aller Bürger von Delitzsch und Umgebung zu sprechen, wenn ich sage, dass die Landesregierung hier umfassend und vorbehaltlos Aufklärung und Antwort schuldet.

  3. Ich erlaube mir an dieser Stelle auch, auf die strafrechtliche Relevanz des Vorgangs hinzuweisen:

    Die Herstellung eines Gewässers (sei es durch Tun oder Unterlassen im Fall des Bestehens einer Garantenpflicht) ohne entsprechende Genehmigung stellt zwar keine Straftat, sondern lediglich eine Ordnungswidrigkeit dar, vgl. § 41 I Ziff. 11 WHG (was zumindest zwingend die Einleitung von disziplinarischen Vorermittlungen zur Folge hat).

    Eine strafrechtliche Relevanz ist aber dann gegeben, wenn es durch den Grundwasseranstieg zu einer Verschmutzung von Grundwasser kommt.

    Der Straftatbestand des § 324 StGB kann auch dadurch erfüllt werden, dass es durch den vorsätzlichen oder auch nur fahrlässigen Anstieg von Grundwasser zu einer Kontamination mit Schadstoffen kommt, die sich im Boden befinden. Die zuständigen Genehmigungsbehörden dürfte eine Garantenstellung treffen, sodass auch der Tatbestand durch Unterlassen (§ 13 StGB) in Betracht kommt.

    Aufgrund der Feststellung, die in dem Urteil des AG Nürnberg, das in meiner Antragsschrift Erwähnung findet, getroffen wurde, ist die Gefahr einer Gewässerverunreinigung aufgrund der Schadstoffe, die sich in illegal abgelagerten Shredderabfällen befinden, als hoch zu bewerten. Ich darf dabei auf die in der Anklageschrift festgestellten Mengen von Schadstoffen verweisen, die in meiner Antragsschrift ausdrücklich Erwähnung finden. Vorliegend kommt auch der besonders schwere Fall der Umweltstraftat gemäß § 330 Abs. 1 Ziff. 1 StGB in Betracht, wenn eine Beeinträchtigung des Grundwassers entstehen sollte oder schon entstanden ist, die erst nach langer Zeit oder nur mit außergewöhnlichem Aufwand zu beseitigten ist. Das dürfte schon angesichts der großen Ausdehnung des Grundwasseranstiegs ohne weiteres möglich sein.

  4. Ich kann mir nicht vorstellen, dass verantwortlich handelnde Behörden vor einer exakten Abklärung der Umweltgefahren durch die kontaminierte Deponie Lissa die Flutung einfach weiter laufen lassen können.
    Wir appellieren daher auch auf diesem Wege an die SMUL, die Flutung sofort zu unterbrechen und eine umfassende und neutrale Untersuchung der Deponie Lissa zu veranlassen.

Mit freundlichen Grüßen

Lothar Hermes
Rechtsanwalt

Anlagen: A 1 – A 12

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