Müllverbrennung: Heute entscheidet der Kreistag

Kreisrat Dr. Friedrich (PDS) befürchtet betriebswirtschaftlich riskantes Wagnis / Landrat: eigener Weg bewährte sich

D e l i t z s c h. Heute soll der Kreistag im nichtöffentlichen Teil (wegen interner Unterlagen, so das Landratsamt) seiner 13. Sitzung wichtige Weichen für das weitere Vorgehen bei der Abfallbebandlung im Kreis stellen. Der Bau einer Müllverbrennungsanlage (MVA) mit einer Kapazität von 70.000 bis 80.000 t im Jahr im Gewerbegebiet-Delitzsch Südwest werde vonseiten der Kreisverwaltung, der Kreiswerke und möglicherweise einer Kreistagsmehrheit favorisiert, hieß es vorab.

Wie berichtet, gipfelten die zweijährigen, teils kontroversen vorbereiten den Diskussionen in der überparlamentarischen Arbeitsgruppe Müllentsorgung sowie den Gremien des Kreistages in einer Umweltverträglichkeitsstudie Umweltverträglichkeitsstudie im Auftrag des Kreistages, die ökologische Bedenken hinsichtlich der verschiedenen möglichen Varianten der Abfallentsorgung weitgehend ausräumte. "Natürlich nur, sofern betriebswirtschaftliche Parameter eingehalten werden und kein ernster Störfall eintritt", gab Dr. Michael Friedrich, Mitglied des Sächsischen Landtages und Vorsitzender der PDS-Kreistagsfraktion, erneut zu bedenken. Aus ökologischer Sicht sieht er keine der Varianten (Müllverbrennung, mechanisch-biologische Behandlung oder Transport außl;erhalb des Kreises) eindeutig im Vor- bzw. Nachteil. Betriebswirtschaftliche Risiken eines "Delitzscher Sonderweges" seien dennoch nicht ausreichend abgeschätzt. Rechtfertigen die verständlichen wirtschaftlichen Interessen der Kreiswerke Delitzsch (KWD) , ihr Geschäftsfeld um die offenbar hochgradig lukrative, weil profitable Müllverbrennung zu erweitern und damit natürlich auch Arbeitsplätze und Steueraufkommen zu sichern, das Risiko, falls die erwarteten Müllmengen entgegen allen Beteuerungen morgen oder übermorgen doch nicht zusammen kommen.
Die KWD - der Kreis ist mit 60 Prozent Mehrheitsgesellschafter - hätte Risiken wesentlich vorsichtiger zu kalkulieren als Private. "Schließlich sind im Crash-Fall die Kommune und damit auch die Steuer- bzw. die Gebührenzahler betroffen." Das Müllunternehmen müsse "nach Art und Umfang ein angemessenes Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf" gewährleisten. Friedrich bezweifelt, ob das bei einem Hausmüllaufkommen von "deutlich unter 30.000 t im Jahr mit weiter deutlich sinkender Tendenz bei einer gut doppelt so großl;en Anlage noch der Fall ist". Außerdem begebe sich Delitzsch wissentlich in die Konkurrenz von mindestens fünf weiteren geplanten MVA in Sachsen-Anhalt und Sachsen und damit "in ein Becken voller hungriger Haifische, die alle um die heißl; begehrten, aber begrenzten Müllmengen kämpfen".
Friedrich sähe lieber weitere Bemühungen um territoriale Kooperationen mit Leipzig, Halle, Bitterfeld und anderen Partnern. Eine gemeinsame größl;ere Anlage, vielleicht mit einer Kapazität von 150.000 bis 200.000 Tonnen, wäre für alle deutlich billiger und mit weniger Risiko behaftet. "Ob es zu dieser Einsicht noch kommt?", hofft er. Falls der Kreistag heute den Delitzscher Sonderweg dennoch mehrheitlich beschließl;en sollte, appelliert Friedrich "dringend" an den Landrat, zumindest eine "Sperrklausel" in die Beschlussvorlage aufzunehmen, "die verhindern soll, dass möglicherweise weg brechende Gewerbemüllmengen in der Kalkulation zu Lasten der Gebührenzahler für Siedlungsabfälle gehen".
Die Beurteilung des "Delitzscher Sonderweges" will Landrat Michael Czupalla so nicht stehen lassen, obwohl er einräumt, dass sich in den vergangenen Jahren die Müllentsorgung in der Region Delitzsch durch die Kreiswerke und außerhalb von Zweckverbänden bewährte. "Für die Deponie Spröda gibt es nur bis Juni 2002 eine Verlängerung und bis dahin muss der Kreis Entscheidungen treffen, wie die Entsorgung hier nach den neuen gesetzlichen Prämissen ab Juni 2005 geregelt wird. Sonst bleibt nur ein Transport nach Cröbern als Alternative mit Kosten, die jetzt schon so hoch sind wie unser Angebot der Ent- sorgung ab 2005 durch Müllverbrennung," erläuterte das Kreisoberhaupt. "Unser Beschluss dient also dem Zweck, den Betrieb der Deponie bis 2005 zu verlängern und Rekultivierungsmittel dafür ab 2005 zu bekommen."
Und zu den Befürchtungen bezüglich der Müllmenge, die den wirtschaftlichen Betrieb der MVA rechtfertigt, sagte Czupalla: "Wir gehen von einer Höchstgrenze und davon aus, dass wir hier noch Bewegung rein kriegen. Die Kreiswerke können in der Region 30.000 t Hausmüll nachweisen. Dazu kommen Gewerbeabfälle von ca. 100.000 t." Auch Kreisumweltdezernent Ulrich Fiedler geht da von aus, dass genug Gewerbemüll, der bekanntlich nicht an einen bestimmten Entsorger gebunden ist, verfügbar ist und präsentierte Zahlen aus einer Hochrechnung zum Müllaufkommen im Freistaat, die noch einmal revidiert worden seien.
Über das Ergebnis der Abstimmung im Kreistag will Czupalla morgen in der turnusmäßigen Runde mit den regionialen Medien informieren. Wir kommen darauf zurück.

K. R.

LVZ, 28.11.2001