Lippendorf soll Klärschlamm mitverbrennen

Veag will große Mengen der feuchten Substanz in Leipziger Region "importieren" / Kritiker stellen Dimension des Projekts in Frage

Die Veag möchte in ihrem Kraftwerk Lippendorf ab 2004 jährlich bis zu 385.000 Tonnen Klärschlamm mitverbrennen. Erste Untersuchungen laufen, im Herbst wird mit dem offiziellen Antrag gerechnet. In der Region regt sich erste Kritik vor allem wegen des zu erwartenden Verkehrs. Gegen die ebenfalls dort geplante Müllverbrennungsanlage von EON formiert sich unterdessen der Widerstand zu einer breiten Front.

Vergangene Woche hatte die Firma VEAG mit allen Beteiligten samt Umweltverbänden an einem Tisch gesessen und beim Regierungspräsidium ihr Vorhaben vorgestellt. Danach sollen jährlich bis zu 385.000 Tonnen Klärschlamm in einem Kraftwerks-Kessel mitverbrannt und dabei bis zu fünf Prozent des Brennstoffs Braunkohle eingespart werden. Veag-Sprecher Rainer Knauber: "In einem Pilotprojekt im baugleichen System Schwarze Pumpe haben wir klären können, dass durch unsere Filtersysteme die Grenzwerte bei den Schadstoffen sicher unterschritten werden." Aus einem "großflächigen Einzugsgebiet" werde die Menge nach Lippendorf angeliefert, "durch die A 38 und die geplante Umgehung von Böhlen ist die Anbindung optimal", so Knauber.

"Es gibt keinen Zwang zur Auslastung", erläuterte der Veag-Sprecher. Nach und nach könne die Menge bis zum Maximum erhöht werden. Die Akquise habe begonnen, 2004 solle nach den Wünschen der Veag die Verbrennung starten. Die Anlage helfe auch den Kommunen und Abwasserverbänden, weil weniger Klärschlamm auf die Felder gelange und weniger Schadstoffe im Boden versickern könnten, wirbt er für sein Vorhaben. Einen zweistelligen Betrag werde die Veag in die nötige neue Beschickungsanlage am Kraftwerk investieren. Die erdähnliche Substanz mit 30 Prozent Restfeuchte werde direkt vor der Kohlemühle dem Brennstoff zugefügt und dort damit vermischt. Zehn Arbeitsplätze würden geschaffen, so Knauber.

Joachim Schruth vom Naturschutzbund Sachsen meldet jedoch Bedenken an: "Wir werden uns generell dagegen aussprechen, weil das Zeug erst von weit her zu uns gekarrt werden müsste." Auch der Ökolöwe mahnt mehr Informationen an: "Es fehlen Angaben zu Herkunft und Beschaffenheit als auch über die bisherige Art der Beseitigung und Verwertung dieses Klärschlamms", meint Andreas Mitschke. Unklar sei auch, wie sich der Gehalt an Schadstoffen in den Filterstäuben verändere.

Holger Tschense, Vorsitzender des Zweckverbandes Abfallwirtschaft Westsachsen (ZAW), mag ebenfalls nicht in das VEAG-Loblied einstimmen: "Die gewünschte Menge entspricht in etwa dem, was zehn Millionen Einwohner produzieren", warnt er. "Allein die Verkehrsbelastung würde unsere Straßensystem vollkommen überlasten." Rund 160.000 Tonnen Klärschlamm falle jedes Jahr in Sachsen an, gegen eine Anlage in der entsprechenden Größenordnung habe der ZAW nichts einzuwenden.

Dietrich Czerny vom Referat Immissionsschutz beim Regierungspräsidium rechnet damit, das die VEAG bis zum Herbst ihre Umweltverträglichkeitsprüfung vorlegt, danach das formelle Verfahren streng nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz stattfindet und die Öffentlichkeit beteiligt wird. "Dabei werden wir auch die Belastung durch die geplante benachbarte Müllverbrennungsanlage mit einbeziehen", verspricht er.

Gegen diesen Betrieb des Stromriesen EON, der jährlich 300.000 Tonnen Abfälle verbrennen will, regt sich nun immer mehr Widerstand. SPD und CDU im Leipziger Land haben gemeinsam eine Aktion gestartet, wonach der Kreis beim Regierungspräsidium ein Raumordnungsverfahren für die Anlage beantragen soll. Grund: Wegen geänderter Gesetze könnten zahlreiche derartige Anlagen entstehen, mehrere konkrete Planungen lägen bereits vor.

Auch die PDS-Vertreter vom Muldental, vom Leipziger Land und der Stadt Leipzig sprachen sich dagegen aus. "Der geplante Bau dieser Anlagen ist aus kommunaler, volkswirtschaftlicher und ökologischer Hinsicht schädlich", meinen sie in einer Presseerklärung.

ZAW-Chef Tschense: "Der Verband hat diese Woche entschieden, ein Raumordnungsverfahren zu beantragen." Er halte zudem auch für fragwürdig, dass sich beim Kraftwerk Lippendorf der Schwerpunkt immer mehr in Richtung Müllverarbeitung verschiebe.

J. ter Vehn

LVZ-Online, 04.04.2002