Bernd Bilitewski, Abfallexperte an der Technischen Universität Dresden, im Gespräch mit unserer Zeitung:

"Wettbewerb ist das richtige Steuerungsmittel"

Leipzig. Viele der geplanten Müllverbrennungsanlage im Raum Leipzig/Halle kommen nicht. Davon geht Bernd Bilitewski, Professor für Abfallwirtschaft an der Technischen Universität in Dresden, aus. "Es baut nur, wer den Abfall bekommt", sagte er gegenüber unserer Zeitung.

Frage: Im mitteldeutschen Raum sollen zahlreiche Müllverbrennungsanlagen entstehen. Da könnte man meinen, dass sich das Müllaufkommen in den nächsten Jahren vervielfacht?

Bernd Bilitewski: Würden alle Anlage kommen, dann wären die meisten überdimensioniert.

Keine Angst:
Es baut nur, wer den Abfall bekommt. Deshalb werden viele Projekte nicht umgesetzt. Das Gesamt-Müllaufkommen ist in der Tat steigend. Es wird aber verstärkt recycelt, also der wiederverwertbare Teil des Mülls nimmt zu. Unterm Strich bleibt weniger für die Deponie übrig. Pro Einwohner und Jahr fallen derzeit in der Stadt 140 und auf dem Land 80 Kilogramm Hausmüll an.

Frage: Sollte die Politik regulierend eingreifen?

Keinesfalls. Der Wettbewerb ist das richtige Steuerungsmittel, sonst haben wir Entwicklungen wie beim Abwasser nach der Wende: überdimensionierte Anlagen und Gebührenexplosion. In den letzten fünf bis sechs Jahren ist mehr Markt auf dem Gebiet der Müllentsorgung entstanden und das hat sich positiv auf die Gebühren ausgewirkt. Diese sind weniger gestiegen als in den Jahren davor. Da wo sich die Politik eingemischt hat, siehe Kölner Müllskandal, entstehen Monopole, die Verschwendung von Millionen ist nicht weit.

Frage: Stichwort Gebühren - welche Anlage macht Sinn?

Je größer eine Anlage, desto wirtschaftlicher kann sie betrieben werden. Transportkosten sind ebenfalls zu berücksichtigen. Wichtig ist vor allem aber, wie die Energie genutzt wird. Am sinnvollsten ist Prozessdampf, da hier der Wirkungsgrad bei 80 bis 84 Prozent liegt. Bei Strom kommen wir auf einen Wirkungsgrad von maximal 28 Prozent. Entscheidend ist aber auch die Schnelligkeit. Leuna hat in den neun Monaten das Genehmigungsverfahren durchbekommen, das kann bei anderen Jahre dauern, vor allem wenn es zahlreiche Einsprüche gibt. Das Gesetz verbietet die Deponierung von unbehandeltem Hausmüll ab Mitte 2005. Die Kommunen stehen also unter Zeitdruck. Schon deshalb bin ich mir sicher, dass viele Projekte wieder in der Schublade verschwinden.

Interview: Andreas Dunte

LVZ 21./22.09.02