Delitzscher Müll jetzt ein Fall für Steinbach und den Staatsanwalt

Delitzsch. Bis vor kurzem schien die politische Welt im Kreis Delitzsch in klarer Ordnung. Seit 1990 regiert Landrat Michael Czupalla, 53, Diplomingenieur und CDU-Mitglied, den Landkreis im Norden Sachsens. Erst im Juni 2001 bestätigten ihn 56,9 Prozent der Wähler erneut im Amt. Doch nun gerät manches durcheinander, seitdem öffentlich diskutiert wird, dass Czupalla in Sachen Müllverwertung seit Anfang der 90er Jahre mit Klaus-Jürgen Haupt kooperiert.

Haupt ist Chef des Instituts für Kommunalwirtschaft (IKW) und gilt als politischer "Landschaftspfleger" von Helmut Trienekens, der schillernden Hauptfigur im nordrhein-westfälischen Müllskandal. Gegen Haupt und Trienekens ermitteln mehrere Staatsanwaltschaften wegen Korruptionsdelikten. Heute beginnt dazu in Köln ein Prozess gegen drei Beteiligte dieser Affäre. Das Verfahren gegen Trienekens wurde aus gesundheitlichen Gründen abgetrennt. Inzwischen werden in Delitzsch immer neue Verdachtsmomente über mögliche unsaubere Machenschaften bekannt, seit einigen Tagen ermittelt nun auch die Leipziger Staatsanwaltschaft gegen Czupalla wegen Untreue und Vorteilsannahme im Amt. Auch gegen Haupt wird dabei wegen Vorteilsgewährung ermittelt, sagte Oberstaatsanwalt Norbert Röger unserer Zeitung.

Anlass sind Anzeigen des Dresdner Anwalts Lothar Hermes, der die Delitzscher Bürgerinitiative "Müllverbrennung Nein!" vertritt und diverse Prüfungen mit ständig neuen Nachfragen befeuert. Ausgelöst durch ein Schreiben an die CDU-Landtagsfraktion beauftragte inzwischen auch Innenminister Horst Rasch den Leipziger Regierungspräsidenten Walter Christian Steinbach (beide CDU) den Verdächtigungen erneut nachzugehen.

Haupt ist gut mit den Delitzscher Kreiswerken unter Aufsichtsratschef Czupalla im Geschäft: Sein IKW hält direkt und indirekt 45 Prozent an dem Betrieb. Haupts einmalige Einlagen bei den Kreiswerken von insgesamt 45F000 Mark sollen inzwischen, so rechnet Anwalt Hermes, unter anderem durch die Einbringung von kreiseigenen Grundstücken einen zweistelligen Millionenbetrag wert sein. Hermes: "Eine Vermögensverschiebung zu Lasten der öffentlichen Hand."

Zudem erhält Haupt laut Verträgen von 1998 Beraterhonorare von 330F000 Euro jährlich. Dies gehe aus Akten der Kölner Ermittler hervor. Zudem soll Haupt weitere Gelder für die Planung einer Müllverbrennungsanlage bezogen haben. Die Pläne wurden jedoch beerdigt, weil die Anlage als völlig überdimensioniert galt.

Bekannt ist mittlerweile auch, dass Haupt für Czupalla Wahlkampfplakate und Flugblätter finanzierte, obwohl der Kreistag vor der letzten Wahl für seine Mitglieder beschlossen hatte, keine Spenden von kommunalen Unternehmen entgegen zu nehmen. Passender Slogan: "Weil man sich kennt."

Nicht weniger pikant ist ein Geschäftsessen am 25. Februar 2000 im Hotel "Vier Jahreszeiten" in Iserlohn, wo Haupt dem Landrat Entenbrust und Übernachtung bezahlte. Anlass der Bewirtung laut Quittung: "Gemeinsame Wahlstrategie Delitzsch." Zudem sponserte das IKW laut Hermes, der sich auf Ermittlungsakten beruft, in den Jahren 2000 und 2001 den Handball-Zweitligisten "Concordia" mit mindestens 136.000 Mark. "Das ist zwar an sich nicht anrüchig, fällt aber in diesem Zusammenhang unter politische Landschaftspflege", meint Hermes.

Offenkundig spinnen auch die Familien Haupt und Czupalla einen guten Faden: Die Frau des IKW-Managers und die Lebensgefährtin des Landrates führen ein gemeinsames Konto bei der Sachsen-LB, über das ein privates Geschäft abgewickelt worden sein soll.

Die Landtagsopposition spricht indes von "Filz" und "mafiösen Strukturen", Czupallas früherer SPD-Herausforderer Gerd Raschpichler zeigt sich "betroffen und schockiert" und warnt vor Glaubwürdigkeitsverlust für die Politik. Doch Czupalla weist die Anschuldigungen von sich. "Ich habe mir nichts vorzuwerfen." Unterstützungen, die er erhalten habe, seien rechtens. Auch die Beratungsleistungen Haupts seien ordentlich abgerechnet worden, da es bei den Kreiswerken keine Ausschüttung gibt. Kreistag und Regierungspräsidium hätten zudem bestätigt, dass alles korrekt gelaufen sei. Für einen Rücktritt sehe er keinen Grund.

Doch die Opposition fordert weitere Aufklärung. Michael Friedrich, PDS-Fraktionschef im Kreistag und Landtagsabgeordneter, verlangt umgehend eine lückenlose Offenlegung der Wahlkampffinanzierung und einen Ausschuss zur Akteneinsicht. Schließlich würden die Gebührenzahler die Vergütungen Haupts bei jeder Abfalltonne mitbezahlen.

Andere Delitzscher stellen sich derweil hinter den Landrat und schimpfen über eine "schmutzige Verleumdungskampagne". Leserbriefschreiber Matthias Kratz fragt sich bereits, warum es nicht eine neue Bürgerinitiative gibt. Sein Namensvorschlag: "Pro Landrat".

Sven Heitkamp und Peter Krutsch

Leipziger Volkszeitung, 20.11.2003