Stadtrat: SPD-Chef contra OBM

Kommunalbetriebe – Schönherr kritisiert Informationspolitik der Verwaltung, Bieniek wehrt sich

Von Dominic Welters

Delitzsch. Die Vorzeichen standen auf Kontroverse – und der Disput blieb nicht aus. Eine kurze aber heftige Debatte über einen Antrag im Vorfeld der ersten Stadtratssitzung des Jahres 2006 ließ am Donnerstagabend die Stimmung im Saal der frostigen Großwetterlage rund ums Rathaus recht nahe kommen.

Wie berichtet, hatten sieben Stadträte aus den Reihen von CDU, Linke, SPD, Freie Wählergemeinschaft und FDP Mitte Januar in einem Schreiben an den Oberbürgermeister Heinz Bieniek (CDU) einen nichtöffentlichen Teil voller brisanter Themen beantragt. Doch der OBM setzte weder eine Anhörung des geschassten Technische-Werke-Geschäftsführers Lutz Mörtl, noch eine Aussprache über die Lage der kommunalen Betriebe und den Fortgang des im Mai beschlossenen Verkaufs der TWD-Anteile an der Recyclingfirma BMG/SVG auf die Tagesordnung. Stattdessen gab’s – wie von Bieniek angekündigt – einen nichtöffentlichen Teil ohne konkretes Thema. Der war schnell passe. In ihm soll nach Informationen der Kreiszeitung jene Erklärung eine Rolle gespielt haben, die die Teilnehmer der Klausurtagung zur Zukunft der Stadtwerke-Holding Ende voriger Woche formuliert hatten (wir berichteten). Deren Botschaft: Die Dinge sind im Fluss, aufgrund neuer gesetzlicher Vorschriften wird nach Lösungen gesucht, wie das kommunale Vermögen zu sichern ist.

Einem war diese Vorgehensweise ein Dorn im Auge. Siegfried Schönherr platzte am Ende der öffentlichen Sitzungsphase unter Tagesordnungspunkt 3 „Anfragen der Stadträte“ der Kragen. Was ihn dazu bewogen habe, den infrastrukturellen Antrag unberücksichtigt zu lassen, wollte der SPD-Fraktionschef vom OBM wissen. Bienieks Reaktion: „Das habe ich Ihnen im Ältestenrat am 12. Januar schon gesagt. Darüber werden wir auf der Sitzung im Februar sprechen.“ Schönherr konterte, dies sei ihm so nicht erinnerlich. Lediglich über die Mörtl-Anhörung und ihre Undurchführbarkeit aus rechtlichen Gründen sei gesprochen worden. Sodann holte der Sozialdemokrat aus: „Herr Oberbürgermeister, wir tragen das nicht mehr mit, was Sie mit Aufsichtsräten, Stadträten und der Öffentlichkeit machen.“ Bieniek, scheinbar unbeeindruckt, antwortet trocken: „Ich gebe nur die Informationen raus, die ich rausgeben kann.“ Man führe derzeit Gespräche mit den Mitgesellschaftern der Kommunalbetriebe. Diese seien abzuwarten.

SPD-Mann Jörg Bornack schlug in dieselbe Kerbe wie sein Fraktionschef – und stellte Fragen. Unter anderem die nach den Jahresabschlüssen der TWD-Tochter BMG/SVG oder nach dem städtischen Beteiligungsbericht für 2004, „denn ohne konkrete Zahlen kann ich als Stadtrat nicht richtig arbeiten.“. Außerdem wolle er wissen, wie der Kaufpreis für die BMG/SVG von 1 050 000 Euro zustande kommt. Der OBM, jetzt leicht genervt: „Herr Bornack, ich bin kein Computer. Sie erhalten die Antworten auf Ihre Fragen schriftlich.



STANDPUNKT


Geister

Von Dominic Welters

Es mag gute Gründe dafür geben, dass bei der Neuausrichtung der Stadtwerke-Holding der Oberbürgermeister als Aufsichtsratsvorsitzender des Konzerns lieber auf die Bremse tritt, statt öffentlich und für alle nachvollziehbar Gas zu geben. Dennoch bleibt nach der Stadtratssitzung vom Donnerstag festzustellen: Die Verwaltung geht mit Anfragen von Stadträten nicht gerade souverän um – vor allem dann nicht, wenn diese kritisch und fundiert sind. Da entsteht schnell der Eindruck, das Rathaus könne mit seinem Latein am Ende sein. Und es schießen die Spekulationen ins Kraut: Sind die kommunalen Betriebe womöglich eine Ansammlung roter Zahlen? Läuft das Biomassekraftwerk rentabel respektive überhaupt noch? Drohen weitere finanzielle Belastungen durch arbeitsgerichtliche Auseinandersetzungen – Stichwort Lutz Mörtl? Warten Mit-Gesellschafter wie die Teag beziehungsweise Eon auf den Kollaps, um dann zur Übernahme zu schreiten?

In seinen Wünschen zum Jahreswechsel hat OBM Bieniek die Delitzscher aufgefordert, Engagement, Entschlossenheit, Mut und Tatkraft ins Gemeindeleben einzubringen. Er wird sich an diesen Worten messen lassen müssen. Denn auch kritische Zeitgenossen können eine Stadt voranbringen. Sie sind nicht automatisch immer nur Quälgeister, sondern manchmal auch gute Geister. Zum Segen für alle.

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 28./29. Januar 2006


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