ZITAT DES TAGES


Ich bin kein Pausenclown in Ihrem Zirkus. Die Nicht-Beantwortung meiner Fragen zieht sich wie ein roter Faden durch alle Stadtratssitzungen.

Der Zschepener Dietmar Mieth während der Bürgerfragestunde, in der er sich zum wiederholten Male von der Verwaltung schlecht informiert fühlte.


Biomassekraftwerk: Es gibt Stunk

Heisterner Holz-Recycling GmbH zieht vor Gericht / Eon organisiert Nachschub

Von Dominic Welters

Delitzsch. Tränen lügen nicht, Zahlen nicht unbedingt. Doch als es im Stadtrat am Donnerstag um den Jahresabschluss 2004 der Stadtwerke Delitzsch GmbH (SWD) ging, da gab SWD-Prokuristin Grit Ungethüm unumwunden zu: „Das Geschäftsjahr 2004 ist gegenüber dem Jahr zuvor schlechter verlaufen.“ Unterm Strich stehe ein Fehlbetrag in Höhe von rund 686.000 € zu Buche. Im Vergleich zu 2003, als es einen Überschuss von 280.000 € gab, seien also etwa 970.000 € weniger an Erträgen zu verzeichnen gewesen. Einer der Gründe laut Ungethüm: die „geringere Ergebnisabführung“ der Technischen Werke Delitzsch (TWD).

Die TWD sind auch mit im Spiel, wenn es um den gleichsam wenig erfreulichen Abschluss 2004 des Stadtwerke-Konzerns geht. Hier weist die Bilanz einen Fehlbetrag von 4,073 Millionen Euro auf. Unter anderem eine Folge der Probleme mit dem Biomassekraftwerk (BMKW) in der Carl-Friedrich-Benz-Straße, so Ungethüm.

Sehr wahrscheinlich, dass die tiefrote Zahlen schreibende Strom-Fabrik vor den Toren der Stadt die kommenden Bilanzen weiter verhagelt. Zwar haben die Gesellschafter – die TWD (44,5 Prozent Anteile) sowie die beiden Eon-Töchter Thüringen Energy AG (30,4 Prozent) und Energy Projects GmbH (25,1 Prozent) – mit der gerade vollzogenen fristlosen Kündigung des auf 20 Jahre ausgelegten Zulieferer-Vertrages einen Befreiungsschlag begonnen, doch der könnte auch nach hinten losgehen. Die Heisterner Holz-Recycling GmbH aus Sandersdorf, eine von drei Partnern in der so genannten Lieferanten-Arge, wird die BMKW GmbH definitiv auf Schadenersatz verklagen – und zwar in Millionen-Höhe.

Wie berichtet, sah die bisherige Kooperationsvereinbarung vor, dass Heisterner das Delitzscher Kraftwerk bis 2024 zusammen mit den Becker Umweltdiensten aus Chemnitz und den TWD selbst jährlich mit insgesamt 150.000 Tonnen Biomaterial beliefert. Satte 120.000 Tonnen sollten dabei über die Zerspanungsanlage von Heisterner laufen. Wegen des BMKW-Auftrages hatte das Unternehmen aus der Nähe von Bitterfeld mächtig in seine Technik investiert und wollte mittelfristig 25 statt derzeit 15 Leute beschäftigen.

Im nichtöffentlichen Teil der Stadtratssitzung erfuhren jetzt auch die Abgeordneten von der Kündigung, die bereits in der Vorwoche über die Bühne gegangen war. Ob Begriffe wie „Hemmschuh“ oder „Knebelvertrag“ fielen, ist nicht überliefert, aber dem OBM Heinz Bieniek (CDU) und der TWD-Spitze soll die Laufzeit 20 Jahre – vom damaligen Technische-Werke-Chef Lutz Mörtl angeregt – inzwischen nicht mehr gefallen. Zumal Heisterner Anspruch auf Entschädigung hat, wenn die fixierten 120.000 Tonnen aufzubereitendes Holz nicht zusammenkommen – was 2005 der Fall war und ein zusätzliches Leck in die löchrige BMKW-Kasse riss. Man spricht von rund einer Million Euro.

Seitens des Hauptgesellschafters Technische Werke gab es keinen Kommentar zur jüngsten Entwicklung – auch nicht zur Kündigungsbegründung, die Lieferungen der Arge-Partner seien von minderer Qualität. Mario Laufer, technischer Geschäftsführer der TWD, verwies auf die Kraftwerksleitung, die wiederum auch am Freitag für Nachfragen nicht zu erreichen war. Dafür wissen die gut unterrichteten Kreise, dass der Holz-Nachschub für das BMKW ab sofort vom Energieriesen Eon organisiert wird. Derweil bei Heisterner ein Mitarbeiter ausspricht, was in Sandersdorf viele denken: „Wir lassen uns von diesem Stromgiganten doch nicht unterjochen.


Darlehen – kurzfristig abgesetzt

Eigentlich sollte es im Stadtrat am Donnerstagabend um ein Darlehen in Höhe von einer Million Euro gehen, das der Mutter-Konzern Stadtwerke Delitzsch (SWD) von seiner Tochterfirma Wohnungsgesellschaft Delitzsch (WGD) erhalten soll (wir berichteten). Doch dann kam alles ganz anders: Als die öffentliche Sitzung – wegen eines vorgeschobenen ersten nichtöffentlichen Teils – mit rund 20 Minuten Verspätung begann, teilte Oberbürgermeister Heinz Bieniek (CDU) den Stadträten und Besuchern mit, dass er das Thema von der Tagesordnung nehmen müsse. Er habe, so der OBM, gegen 13.45 Uhr bei einem Telefonat aus dem Hause SWD einen „wichtigen Hinweis“ erhalten. Ein aktuelles Gerichtsurteil zur möglichen Haftung bei derartigen Leihgeschäften müsse „zunächst einmal auf seine Relevanz für unseren Fall“ geprüft werden, so Bieniek. Um welchen Richterspruch es geht, ließ er offen.

Einige Stadträte mutmaßten hinterher, der Oberbürgermeister habe das Thema Darlehen womöglich im Alleingang auf die Tagesordnung gesetzt, um sich nicht wieder der Geheimniskrämerei verdächtig zu machen. „Daraufhin hat es hinter den Kulissen bestimmt einigen Wirbel gegeben und dann haben sie ihn zurückgepfiffen“, lautete eine Theorie in der (Zigaretten-)Pause vor dem zweiten nichtöffentlichen Teil.

Bieniek unterstrich am Freitag auf Nachfrage der Kreiszeitung, aus „Für- und Vorsorge“ gehandelt zu haben. „Streng genommen hätten wir trotzdem abstimmen können, denn ich sollte ja als Vertreter der Stadt in der Gesellschafterversammlung die SWD lediglich dazu ermächtigen, über das Darlehen in Verhandlung zu treten.dom


STANDPUNKT


Schädlich

Von DOMINIC WELTERS

Schon die Entstehung des Biomassekraftwerkes liest sich wie ein mieser Krimi. Da wurde der Stadtrat einst mehr oder weniger vor vollendete Tatsachen gestellt, flossen Millionen Euro in ein Projekt, das viellecht einmal Gewinn abwirft, wenn es auf Mutter Erde keine Bäume mehr gibt. Mag sein, dass die Qualität des Altholzes eher schlecht und der Arge-Vertrag ob seiner Laufzeit wirtschaftlich bedenklich ist. Aber so, wie sich die TWD-Führung und die Rathaus-Spitze um OBM Bieniek gerade aus der Affäre zu ziehen versuchen, wird Delitzsch ein schwerer Imageschaden entstehen. Den Kontrakt von 2004 fanden damals alle gut – auch die Rechtsexperten von Eon. Hat Heisterner vor Gericht Erfolg, wird die öffentliche Hand richtig bluten. Zumal ja noch andere Verfahren anhängig sind. Stichwort Lutz Mörtl.

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 25./26.03.2006


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