Delitzscher Stadtwerken soll letztes Stündlein schlagen

Verwaltung legt Rat vier Varianten für künftige Struktur der Betriebe vor

Von DOMINIC WELTERS

Delitzsch. Die Stadtverwaltung hat gestern Abend in einer nichtöffentlichen Sondersitzung des Stadtrates ihr bevorzugtes Konzept für die künftige Struktur der kommunalen Betriebe vorgestellt. Im Auftrag des Rathauses hatte das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Wikom AG aus Potsdam zuvor insgesamt vier Varianten erarbeitet - darunter auch die von der Stadtspitze bevorzugte. Diese sieht die Auflösung der Holding Stadtwerke Delitzsch (SWD) vor.

Nach den Vorstellungen der Verwaltung und der derzeitigen SWD-Führung soll die Stadtwerke GmbH zum 1. Januar 2007 in ihrer bisherigen Tochter Wohnungsgesellschaft Delitzsch (WGD) aufgehen. Letztere erführe dadurch einen Vermögenszuwachs von 16,5 Millionen Euro brutto. Die Technischen Wer- ke Delitzsch (TWD) wiederum sollen der WGD untergeordnet werden.

Oberbürgermeister Heinz Bieniek sprach gegenüber der Kreiszeitung von einer „Puffer-Lösung“. „Die Wohnungsgesellschaft wird zwischen Stadt und TWD geschaltet, um unseren Haushalt vor etwaigen Belastungen zu schützen“, sagte der CDU-Politiker im Vorfeld der Sitzung gegenüber der Kreiszeitung. Dieser Ansatz sei „bestimmt sehr selten, aber letztlich würde er die Sicherung des kommunalen Vermögens am besten gewährleisten“.

Wie bislang die Stadtwerke wäre auch die WGD bei den Technischen Werken mit 74,9 Prozent der Anteile Mehrheitsgesellschafter. Die übrigen 25,1 Prozent sollen im Besitz der Eon Thüringer Energie AG verbleiben. Die Mannschaft um OBM und Stadtwerke-Aufsichtsratschef Bieniek hält diese Variante schon deshalb für mehrheitsfähig, weil es bei ihr keine Mitwirkungspflichten Dritter gibt. Soll heißen: „Eon Thüringer Energie ist bei dieser Entscheidung außen vor. Die Lösung wird dem Unternehmen nicht gefallen, aber es muss sie schlichtweg akzeptieren“, sagte Kämmerer Michael Schmiech. Dieser bekäme, wenn der Stadtrat im November der Variante drei zustimmt, übrigens einen zusätzlichen Haushaltsposten: Die Delitzscher Servicegesellschaft soll kommunaler Eigenbetrieb, die (Immobilien-)Entwicklungs- und Vermarktungsfirma Zukunft in Delitzsch darüber hinaus ins städtische Vermögen zurückgeführt werden.

LVZ, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 20.10.06, Titelseite



GUTEN MORGEN


FRÜHER WAREN DIE TECHNISCHEN WERKE MAL SO ETWAS WIE DER GOLDESEL VON DELITZSCH. MIT DEN GEWINNEN, DIE DER ENERGIEVERSORGER AUSGANGS DES VERGANGENEN JAHRTAUSENDS EINFUHR, WURDEN DIE VERLUSTE ANDERER KOMMUNALER UNTERNEHMEN UNTER DEM DACH DER STADTWERKE AUSGEGLICHEN. DOCH DER ESEL WOLLTE IRGENDWANN EIN RENNPFERD SEIN UND VERZETTELTE SICH IN ZUM TEIL UNDURCHSICHTIGEN BETEILIGUNGEN UND EINEM MEGA-PROJEKT, VON DEM SICH DAS RATHAUS INZWISCHEN SCHLEUNIGST TRENNEN WILL: DEM BIOMASSEKRAFTWERK (BMKW). FATALE FOLGE FÜR MUTTER STADTWERKE, DIE ÜBERDIES AN DER DEFIZITÄREN TOCHTER ZUKUNFT IN DELITZSCH ZU KNABBERN HATTE: IHRER FUNKTION ALS EINE ART BANK INMITTEN DES FIRMENGEFLECHTS KONNTE SIE, SELBER VÖLLIG KLAMM, NICHT MEHR NACHKOMMEN. DEN JOB DES LÖCHER-STOPFENS ÜBERNAHM STATT IHRER DIE WOHNUNGSGESELLSCHAFT. LETZTERE SOLL NACH DEN PLÄNEN DER MANNSCHAFT UM OBM HEINZ BIENIEK KÜNFTIG GANZ OFFIZIELL DIE KASTANIEN AUS DEM FEUER HOLEN - UND DIE HOLDING VERSCHWINDEN. DIE PUFFER-LÖSUNG MAG VERNÜNFTIG SEIN, SIE STEHT UND FÄLLT ABER MIT DEM VERKAUF DES BMKW. BLEIBEN DIE TECHNISCHEN WERKE AUF IHREN ANTEILEN AN DER BIOSTROMANLAGE SITZEN, IST DIE RETTUNGSVARIANTE MAKULATUR. DANN MUTIERT DER EINSTIGE GOLDESEL ENDGÜLTIG ZUM ACKERGAUL.

IHR DOMINIC WELTERS

LVZ, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 20.10.06, Titelseite


Stadtwerke vor Aus - WGD als Puffer

Rathaus will Technische Werke der Wohnungsgesellschaft unterordnen

Von Dominic Welters

Delitzsch. Als ein gewisser Lutz Mörtl noch Geschäftsführer der Technischen Werke Delitzsch (TWD) war, da beschloss der Stadtrat die Gründung der Stadtwerke Delitzsch (SWD). Die Mutter von drei Töchter-Firmen - neben den TWD die Wohnungesellschaft Delitzsch (WGD) und später die Zukunft in Delitzsch (ZiD) - sollte auf ganz legale Weise steuerliche Vorteile nutzen. Die Stadt spare dadurch allein zehn Millionen Mark beim Grunderwerb, hieß es 1999, als die Holding aus der Taufe gehoben wurde. Von Kosten sparenden Synergieeffekten unter den Mitgliedsbetrieben ganz zu schweigen.

Inzwischen hat sich die Sache mit den fiskalischen Vorteilen aufgrund von Gesetzesänderungen relativiert. Und auch das Firmengeflecht als solches ist ins Wanken geraten und hat bei Mutter SWD zu erheblichen Liquiditätsproblemen geführt (wir berichteten) - unter anderem auch wegen der mit 2,6 Millionen Euro in der Kreide stehenden (Immobilien-)Entwicklungsgesellschaft Zukunft in Delitzsch (ZiD). Die Stadtwerke sind deshalb nach Meinung des Rathauses ein Auslaufmodell. Unter den vier Strukturvorschlägen, die das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Wikom AG im Auftrag der Verwaltung erarbeitete und über die die Stadträte gestern Abend in geheimer Sitzung informiert wurden, sind drei, in denen die Holding nicht mehr vorkommt. Unter diesen ist auch Variante 3, die Oberbürgermeister Heinz Bieniek (CDU) und die aktuelle Geschäftsführung der Stadtwerke bevorzugen. Danach soll die WGD als „Puffer“ zwischen die Kommune und die vom Ballast Biomassekraftwerk befreiten Technische Werke gestellt werden. Die Stadtwerke samt Vermögen verschmelzen mit der Wohnungsgesellschaft. Dies hätte allerdings zur Folge, dass künftig die WGD den Besserungsschein (Beitrag Mitte) bedienen muss. „Dieser würde sich jedoch nicht auf das Kerngeschäft der Wohnungsgesellschaft beziehen, sondern nur auf die Ergebnisse der Vermögensverwaltung“, sagt Kämmerer Michael Schmiech.

Das Problemfeld ZiD im Übrigen soll künftig ins städtische Eigentum zurückgeführt werden. Und auch die Delitzscher Servicegesellschaft (DSG) verliert ihren GmbH-Status. Aus der DSG könnte ein kommunaler Eigenbetrieb werden - sofern der Stadtrat bei der im November vorgesehenen Abstimmung mitspielt.

LVZ, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 20.10.06, Seite 3


Besserungsschein entlastet Schuldner

Ein Besserungsschein ist eine vertragliche Vereinbarung zwischen einem Gläubiger und einem Schuldner, die auf dem Ansinnen des Schuldners beruht, sein Unternehmen durch den Verzicht der Gläubiger auf ihre Forderungen aus einer - beispielsweise durch Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit eingetretenen - Krise zu holen. Der Besserungsschein beinhaltet die Zusage des Schuldners, bestehende Forderungen ganz oder teilweise zu erfüllen, sobald sich seine wirtschaftliche Lage gebessert hat und die Erfüllung der dann entstehenden Zahlungsverpflichtungen keine Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs des betroffenen Unternehmens bewirkt.

Im Falle Delitzsch verhält es sich mit dem Besserungsschein wie folgt: Bei der Gründung der Stadtwerke-Holding (SWD) zum 1. Januar 2000 übertrug die Kommune ihre Anteile an den Technischen Werken (TWD) im Wert von damals 32,8 Millionen D-Mark (später: 16,4 Millionen Euro) auf die SWD. Es wurde ein so genannter Anteilsübertragungsvertrag abgeschlossen, in dem den SWD die Kaufsumme über 15 Jahre zu einem jährlichen Zinssatz von fünf Prozent gestundet wurde. „Da die SWD aber immer öfter Schwierigkeiten hatten, die Zinszahlung aufzubringen, wurde ein zwischenzeitlicher Kaufpreisverzicht gegen Besserungsschein vereinbart“, erläuterte Kämmerer Michael Schmiech auf Anfrage. Zudem habe die Kommune Anfang des Jahres 2003 gemäß einem Stadtratsbeschluss den Stadtwerken 12,4 der 16,4 Millionen Euro als Eigenkapital überlassen. Dadurch hätten sich die Zinszahlungen von jährlich 820.000 Euro auf 200.000 Euro verringert, so der Leiter des Finanzverwaltungsamtes. Mit den SWD wurde ferner vereinbart, dass der Anteilsübertragungsvertrag dann wieder in Kraft tritt, wenn das Unternehmen im Jahr mehr als 1,5 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftet.

Sollte die Vorzugsvariante des Rathauses beschlossen werden, treten die Wohnungsgesellschaft (WGD) und die Kommune künftig in Besserungsschein-Beziehung. Dabei besteht die Hoffnung, dass über etwaige Gewinnausschüttungen der Technischen Werke (TWD) der Besserungsschein bedient werden kann.

dom

LVZ, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 20.10.06, Seite 3


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