Korruptionsaffäre - Datenschützer unter Druck

Schurig gerät durch Aktenvermerk ins Zwielicht / Jung: Alles auf den Tisch

D r e s d e n/L e i p z i g (J. K./mi). Die Korruptionsaffäre im Freistaat schlägt weiter hohe Wellen. Jetzt geraten auch die Datenschützer in Erklärungsnot.

Nach Informationen der Leipziger Volkszeitung gibt es in den hochgeheimen Akten des Verfassungsschutzes zur Organisierten Kriminalität (OK) einen so genannten Sicherheitsvermerk gegen Sachsens obersten Datenschützer Andreas Schurig. Darin verweisen die Ermittler auf mögliche Verbandelungen des Kontrolleurs mit der Leipziger Szene. Schurig bestätigte gestern die Existenz des Vermerks auf Nachfrage. Der damit verbundene Verdacht sei aber „zutiefst zu Unrecht“ erhoben worden. Er selbst sei seit vielen Jahren in der Verwaltung tätig, „da kennt man viele“. Zu Details wollte sich Schurig nicht äußern. Nach Informationen der Leipziger Volkszeitung dreht sich der Vermerk um die Tatsache, dass Schurig schon in den 80er Jahren in Leipzig an der Kirchlichen Hochschule Theologie studiert hat. Nach 1990 wechselte er ins Leipziger Rathaus. Auf beiden Ebenen gibt es offensichtlich Hinweise, dass er Kontakte zu Personen hatte, die jetzt ins Visier der Ermittler geraten sind.

Die Linksfraktion forderte gestern, das gesamte belastende Material gleich an die Generalbundesanwaltschaft zu übergeben. Der sächsische Generalstaatsanwalt Jörg Schwalm sei „das personifizierte Gegenteil von politisch unabhängigen Ermittlungen“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer André Hahn. SPD und Grüne regten einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss an. Ähnliche Überlegungen gab es zuvor von der Linksfraktion.

Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) erwartet eine „schonungslose Aufklärung“. Die Akten dürften auf keinen Fall vernichtet werden. Es müsse „alles in aller Offenheit auf den Tisch“. Die Stadtverwaltung sei selbstverständlich bereit, alle gewünschten Akten herauszugeben - „wenn man uns fragt“. Noch sei ihm aber nicht bekannt, ob es im Rathaus Akten zur Thematik gebe. Forderungen nach einem städtischen Untersuchungsausschuss hätten keine rechtliche und inhaltliche Grundlage, sagte Jung. So kann ein Bürgermeister laut Gemeindeordnung keinen Untersuchungsausschuss einsetzen.

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeiung, Titelseite, 15.05.2007


Datenschützer in Erklärungsnot

Kriminalitätsaffäre: Ermittler vermuten Verbindungen von Schurig in Leipziger Szene

Von JÜRGEN KOCHINKE
Bild von Andreas Schurig nicht geladen

Dresden. Andreas Schurig hat viel um die Ohren derzeit. Seit Monaten versucht Sachsens oberster Datenschützer, die Sammelwut der Schlapphüte im Freistaat zu begrenzen - auf das, was er für rechtlich vertretbar hält. Konkret geht es um jene rund 15.600 Blatt Papier über die Organisierte Kriminalität (OK) mit Schwerpunkt in Leipzig (diese Zeitung berichtete). Die Erkenntnisse der Ermittler sind beinhart: Es gibt Indizien für das Wirken krimineller Netzwerke, es geht um unsaubere Immobilendeals, Korruption, Amtsmissbrauch sowie um Kontakte ins Rotlichtmilieu - und in die Pädophilenszene.

Eben diese Akten mit unschönen Details sollen laut Schurig vernichtet werden. Begründung: Der Verfassungsschutz ist nicht für einfache OK-Beobachtung zuständig, das Material sei rechtswidrig entstanden. Gestern nun geriet der Kontrolleur selbst in die Bredouille. Grund ist ein so genannter Sicherheitsvermerk, der nach Informationen dieser Zeitung Teil der Akten ist. Nach Ansicht der Verfassungsschützer gibt es Kontakte zwischen Schurig und möglichen Drahtziehern im Leipziger Milieu. Der Datenschützer machte auf Nachfrage keinen Hehl aus dem Vermerk. Inhaltlich allerdings dementiert er jegliche Verbandelung mit dem Geflecht, das die Verfassungsschützer nicht nur, aber vor allem in Leipzig ausgemacht haben. Dabei geht es nicht nur um Immobilien, sondern auch um Verstrickungen hoher Justiz-, Polizei- und Politikkreise. In Verdacht geraten sind nicht zuletzt ein leitender Staatsanwalt und ein Richter.

Im Streit um die Herausgabe der geheimen Akten an die Staatsanwaltschaft schlägt Schurig mittlerweile eine andere Tonlage an. Sprach er zuvor eine förmliche Rüge gegen die Verfassungsschützer aus, so redet er jetzt von einer bloßen „Ermahnung“. Folglich soll es nun Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) richten. Dieser sei „am Ball“ und trage die Verantwortung, so Schurig gestern. Dies könnte schon heute der Fall sein. Am Nachmittag trifft sich die geheime Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) zur Sondersitzung, wahrscheinlich ist ein Votum des Gremiums zum Umgang mit den brisanten Akten. Der Tenor dabei dürfte lauten: keine Vernichtung, ein unabhängiger Staatsanwalt muss die Fälle klären.

Hier hat sich die Linksfraktion schon festgelegt. Die Generalbundesanwältin Monika Harms sei die Richtige, meinte André Hahn von der Linkspartei und selbst Mitglied der PKK. Doppelte Begründung: Der sächsische Generalstaatsanwalt Jörg Schwalm sei ungeeignet, weil eben nicht unabhängig; und eine andere Staatsanwaltschaft aus Sachsen sei ebenfalls problematisch - wegen möglicher Belastungen durch die Akten selbst.

Dabei rückt ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss zur Affäre mittlerweile näher. Nach der Linkspartei gab es gestern auch Stimmen von SPD und Grünen für ein solches Gremium. Darüber hinaus forderte Sachsens SPD-Chef Thomas Jurk Aufklärung - ohne Rücksicht auf das Ansehen von Personen.

Leipziger Volkszeitung, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeiung, Seite 4, 15.05.2007


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