Im Gestrüpp von Verdächtigungen

Korruptionsaffäre: Justizberater Eißer will helfen, den Rechtsfrieden wiederherzustellen

Von ANDREAS FRIEDRICH
Wolfgang Eißler

Dresden. Wolfgang Eißer wollte gerade zu seiner Mutter fahren. Es war Pfingstmontag gegen Mittag, da erreichte den Präsidenten des Landgerichts Waldshut-Tiengen ein Anruf. Ob er nicht als Berater der sächsischen Justiz bei der Trockenlegung des so genannten Sachsen-Sumpfes helfen wolle, wurde er gefragt. Eißer sagte zu und fuhr doch zur Mutter. Christliche Feiertage sind heilig, gerade tief unten „zwischen Basel und Zürich“, wie er seinen heimatlichen Südzipfel der Bundesrepublik lokalisiert. Er wusste aus den Medien von einer „gewissen Unruhe“ in Sachsen. Mehr erfuhr er bei der abendlichen Internetrecherche. Zwei Tage später erschien er in Dresden und hat seitdem ein „wachsames Auge“ auf die Ermittlungen der Justiz.

Justizminister Geert Mackenroth (CDU) fragte seinen Kollegen Ulrich Goll in Baden-Württemberg um Rat bei der Suche nach einem externen Beobachter. Goll ist als FDP-Mitglied unverdächtig, eine der schwarz-roten Koalition parteipolitisch genehme Person zu empfehlen. Trotzdem empfingen Eißer Befangenheitsvorwürfe. „Viele meiner einstigen Kollegen gingen nach der Wiedervereinigung nach Sachsen. Aber bis auf einen sind alle pensioniert. Ich kannte hier keinen“, entkräftet Eißer Vermutungen, er sei kein neutraler Beobachter.

Er hat ein kleines Büro im Justizministerium bezogen und ist einige Tage pro Woche in Dresden. Er empfängt keine Weisungen und erteilt auch keine. Aber: „Ich darf mit allen reden und darf alles lesen“, erklärt er gegenüber dieser Zeitung. Die Papiere des Verfassungsschutzes sind ihm zum Teil bekannt. Er sitzt in den Besprechungen von Justizbeamten, Richtern und Staatsanwälten und diskutiert mit ihnen. Die Expertenrunden verlaufen manchmal nach dem Motto „drei Juristen – fünf Meinungen“. Wie solche Gespräche der Aufklärung nutzen, bleibt offen.

Mit dem Eindruck kann und muss Eißer leben. Die Besonderheit sei, dass der Vorgang in den Medien seinen Ursprung habe und nicht durch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ausgelöst worden sei. Das Bekanntwerden von Ermittlungen könne immerhin zu Beweisverlusten führen. Umso weniger lässt er sich nun in die Karten blicken. Er ist ein nüchterner Mann, der seine Worte sorgsam wählt und angesichts des Aufklärungsdrucks unaufgeregt daherkommt. Mit seinen 57 Lebensjahren, von denen er 32 als Staatsanwalt und Richter verbracht hat, verfügt er offensichtlich über die entsprechende Routine. Die ist auch nötig in einem Gestrüpp von Verdächtigungen, in das auch hochrangige Justiz- und Polizeibeamte verstrickt sein sollen – bis zum Generalstaatsanwalt und einem Gerichtspräsidenten. Trotz undurchsichtiger Gerüchtelage hat Eißer den Eindruck, „man will aufklären. Die eingesetzten Staatsanwälte haben vor Königsthronen keine Angst.

Eine Ermittlergruppe bei der Staatsanwaltschaft Dresden prüft die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes. Ein Richtergremium prüft, ob es Verstrickungen von Justizangehörigen in Leipziger Immobiliengeschäfte gibt. Ob und wie viele Ermittlungsverfahren gegen wen laufen, sagt Eißer nicht. Er bleibt bei seinen Prinzipien. „Es geht schließlich nicht um Ladendiebstahl, sondern um Vorwürfe, die fast eine Staatskrise auslösten.“ Und einen Vertrauensverlust der Öffentlichkeit in die Justiz zudem. Für eine Wertung der kursierenden Vermutungen koppelt Eißer den Konjunktiv mit der Steigerung des Wortes schlimm. „Der Betrieb ei- nes Kinderbordells wäre unerträglich schlimm. Die mögliche Verstrickung von Justizangehörigen wäre noch schlimmer. Sollten diesen dadurch Gegenleistungen zuteil geworden sein, so wäre das noch viel schlimmer.

Sachsens Justiz steckt in einer Vertrauenskrise, weil jeder jeden verdächtigt. Diese zu überwinden, dazu will der Richter aus dem Hotzenwald genannten Zipfel des Südschwarzwaldes beitragen. Eine Zweitwohnung in Dresden richtet sich Eißer trotz der zeitlichen Unwägbarkeiten nicht ein. Obwohl es dauern kann, bis „der Rechtsfriede wiederhergestellt ist“, formuliert der Gastermittler und ergänzt: „Ich kann nur hoffen, dass die Ermittlungen zu einem Resultat führen, das möglichst von allen akzeptiert wird.“ Wirklich jeden zufrieden stellende Ergebnisse könne die irdische Justiz aber nicht bieten. Dafür müsse man auf das jüngste Gericht warten.

Leipziger Volkszeitung, Sachsen und Mitteldeutschland, Seite 5, 13.07.2007


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