Untersuchungsausschuss

Erneut Sondersitzung im Landtag

Dresden. Nach wochenlangem Tauziehen im Streit um den Untersuchungsausschuss zur Korruptionsaffäre gab es gestern neue Turbulenzen. Die CDU/SPD-Mehrheit lehnte in der stundenlangen Sitzung des Rechtsausschusses den Ursprungsantrag der Opposition als unzulässig ab. Linke, FDP und Grüne legten zugleich einen Änderungsantrag vor, den Union und Sozialdemokraten in der Landtags-Sondersitzung am kommenden Donnerstag möglicherweise passieren lassen könnten.

Die Regierungsfraktionen wollen das neue Papier allerdings „intensiv“ prüfen und erst dann ihr Votum abgeben. „Verfassungsrecht ist nicht verhandelbar“, baute CDU-Rechtspolitiker Marko Schiemann allzu großen Erwartungen vor. Tatsächlich haben Rechtsexperten nach Informationen dieser Zeitung weiter massive juristische Bauchschmerzen: Der geänderte Antrag weiche kaum von der Ursprungsfassung der Opposition ab, heißt es.

Dennoch hatte sich die SPD bereits am frühen Morgen weitgehend festgelegt: Sie will den Ausschuss nicht blockieren – egal, ob der Antrag nun verfassungswidrig sei oder nicht. SPD-Rechtspolitiker Enrico Bräunig fasste das in die handfeste Formel „im Zweifel für das Minderheitenrecht“. Am Nachmittag signalisierte dann auch die Union Wohlwollen und ließ die Opposition wissen, dass sie deren Bemühen um eine neue Vorlage „ausdrücklich“ begrüße. Der Streit über die Zulässigkeit des Untersuchungsausschusses hat nicht nur heftigen Krach zwischen Regierungsparteien und Opposition ausgelöst, sondern auch die Koalition entzweit. Offen ist, ob die CDU doch einlenkt und sich bei der entscheidenden Abstimmung wie die SPD enthält.

Dabei bewegte sich der Rechtsausschuss hart am Rande einer Posse. Nach geschlagenen drei Stunden und zehn Minuten hatte sich das Gremium gerade mal dazu durchgerungen, die eigene Tagesordnung zu beschließen. Und erst danach – nach Auszeiten und kleineren Pausen – debattierten die Beteiligten in der Sache.

Showdown im bizarren Streit dürfte damit Donnerstag sein. Dann findet die Sondersitzung des Landtags statt, und erst kurz davor wollen sich CDU und SPD endgültig positionieren. Egal wie das Ergebnis nächste Woche aber ausfällt, eines scheint bereits festzustehen: Der jeweilige Verlierer dürfte den Fall nach Leipzig tragen – zur Klärung vor dem Landesverfassungsgericht.

Sven Heitkamp/Jürgen Kochinke

Leipziger Volkszeitung, SACHSEN und MITTELDEUTSCHLAND, Seite 4, 14./15.07.2007


INTERVIEW


Verfassungswidriger Antrag

Regierungschef Milbradt (CDU) über die Zukunft der Koalition und den parlamentarischen Umgang mit der OK-Affäre

Dresden. Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) äußert sich im Gespräch zur Zukunft der Koalition mit der SPD und weshalb er den Untersuchungsausschuss für verfassungswidrig hält.

Frage: Die CDU/SPD-Koalition steht wegen der Querelen um den Untersuchungsausschuss auf der Kippe. Wie lange wird sie noch durchhalten?

Regierungschef Georg Milbradt (CDU) ist überzeugt: Die Koalition wird bis Ende der Legislatur 2009 bestehen. Foto: Oliver Killig Georg Milbradt: Die Koalition wird bis Ende der Legislatur 2009 bestehen und ihre Arbeit weiter erfolgreich fortsetzen.

Die SPD positioniert sich aber aktuell sehr stark gegen die CDU. Am Donnerstag will sie sich bei der Abstimmung über den Untersuchungsausschuss zur OK-Affäre enthalten, die CDU ist dagegen. Wird damit nicht der Koalitionsvertrag ausgehebelt?

Ich gehe davon aus, dass alle Beteiligten wissen, was im Koalitionsvertrag steht und sich entsprechend verhalten. Das ist die Basis der Zusammenarbeit.

Warum sind Sie weiterhin strikt gegen einen Untersuchungsausschuss?

Ich bin nicht gegen einen Aussschuss, der ist das Recht der Opposition. Ich bin gegen einen Einsetzungsbeschluss mit verfassungswidrigem Gegenstand und Fragen. Es gibt klare Regeln für einen Untersuchungs- ausschuss, das ist durch viele Gerichte geklärt worden.

Welche sind das?

Es darf keine Vorverurteilungen geben, der Untersuchungsgegenstand muss offen formuliert werden und nicht als Feststellung. Außerdem darf nur auf die Befugnisse des Landtags gezielt werden, es darf keine Eingriffe in die Unabhängigkeit der Justiz geben. Nach der bestehenden Rechtssprechung ist der Antrag verfassungswidrig. Das ist nicht zumutbar und das werde ich auch nicht zulassen.

Das sieht der Koalitionspartner SPD allerdings ganz anders ...

Das weiß ich nicht. Für mich ist die Absicht der Opposition, durch den Ausschuss würde in die Unabhängigkeit der Justiz eingreifen, ungeheuerlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die SPD einen offensichtlich verfassungswidrigen Untersuchungsausschuss will.

Wenn es zum Bruch mit der SPD käme, könnten Sie sich eine Minderheitsregierung bis 2009 vorstellen?

Das ist eine rein hypothetische Frage.

Sie gehen also davon aus, dass die SPD noch umschwenkt?

Es wird eine Lösung geben.

Sperrt sich die CDU aus Prinzip gegen einen Ausschuss?

Nein. Wenn ein ordentlicher, verfassungsrechtlich einwandfreier Antrag auf dem Tisch liegt, dann gibt es keine Probleme. Die Opposition hat aber nicht das Recht, die Verfassung zu brechen. Sind die juristischen Gründe gegen den Ausschuss in der Öffentlichkeit zu vermitteln? Das sind keine juristischen Spitzfindigkeiten. Es muss doch jedem klar sein, dass es keine Vorverurteilung geben darf. Wenn Dinge, die sich erst aus der Untersuchung ergeben können, als Feststellung vorweggenommen werden, dann ist das rechtlich unsauber. Hier wird der Kernbestand unseres Rechtsstaats angegriffen.

Wenn der Antrag korrigiert würde, stimmt dann auch die CDU dafür?

Die Minderheit hat ein Recht auf einen Untersuchungsausschuss im Rahmen der Verfassung. Deswegen würden wir einen entsprechenden Antrag passieren lassen, obwohl ich den Ausschuss selbst für unnötig halte. Das ist aber meine persönliche Meinung. Das, was mit dem Untersuchungsausschuss nach außen hin geleistet werden soll, nämlich die Aufklärung der strafrechtlichen Vorwürfe, kann im Kern gar nicht erbracht werden. Das können nur die Gerichte und Staatsanwaltschaften schaffen.

Die Öffentlichkeit fordert aber eine schnelle Aufklärung ...

Es sind zwei unabhängige Kommissionen und Experten, um eventuelle Schwachstellen bei Verfassungsschutz und bei der Polizei aufzudecken. Da werden im Spätherbst Ergebnisse kommen. Zu diesem Zeitpunkt hätte sich der Ausschuss gerade konstituiert. Er führt also nicht zu mehr Transparenz, sondern lenkt von den notwendigen Schritten ab.

Halten Sie ihn deshalb für Klamauk?

Ein Untersuchungsausschuss mit Vorverurteilungen ist keine seriöse Politik. Ich kann da nur Cornelius Weiss von der SPD zustimmen, der Herrn Bartl juristische Schlamperei vorwarf.

Können Sie sich Klaus Bartl von der Linken als Vorsitzenden des Ausschusses vorstellen?

Das haben letzten Endes das Parlament und die Fraktionen zu entscheiden. Dass ich ihn für nicht besonders geeignet halte, dürfte bei seiner Vergangenheit offenkundig sein.

Ministerpräsident Georg Milbradt (M.) im Gespräch mit den Redakteuren Bernd Hilder (l.) und André Böhmer. Foto: Oliver Killig

In der CDU wächst der Frust über den Koalitionspartner. Ihr General zweifelt öffentlich an der Zuverlässigkeit der SPD. Teilen Sie diese Zweifel?

Ich will daran nicht zweifeln. Ich sage allen Beteiligten nur, dass man sich an die Spielregeln halten soll. Die sind im Koalitionsvertrag genau festgelegt. Natürlich muss die SPD die Frage beantworten, warum einige lieber Opposition statt Regierung spielen wollen. Man kann nur eines von beiden sein.

Ist dieses Doppelspiel der Grund, weshalb die SPD in Umfragen aktuell so schlecht dasteht?

Die Frage muss die SPD selbst beantworten. Eine klare Abgrenzung nach links hilft der SPD. Sie kommt sonst ins Rutschen, weil der Wähler lieber das Original als die Kopie wählt. Die SPD muss eine eigenständige Position im sächsischen Parteiensystem finden, sonst wird sie von den Linken zerdrückt.

Machen sich FDP und Grüne mit ihren Forderungen nach einem Ausschuss zum Steigbügelhalter für die alten Kader der Linken?

Wenn man Zweifel aus parteipolitischen Gründen in unsere Rechtsstaatlichkeit sät, dann wird dies den Rändern zugute kommen. Die Linkspartei und die NPD sind die Gewinner einer solchen Politik. Mit überzogenen Vorwürfen erreicht man zwar die öffentliche Aufmerksamkeit, setzt aber die Interessen des Freistaates aufs Spiel.

Ihr Innenminister hat aber mit seinem Mafia-Vergleich auch dazu beigetragen ...

Die internationalen und mafiösen Strukturen sind gefährlich und machen um Sachsen keinen Bogen. Da ist größte Wachsamkeit geboten. Eine besondere Gefährdung in Sachsen oder eine besondere Anfälligkeit im Vergleich zu anderen Bundesländern sehe ich aufgrund der mir zugänglichen Informationen nicht. Die Polizei und die Justiz haben die Lage im Griff und gewährleisten den Schutz der Bevölkerung.

Interview: Bernd Hilder, André Böhmer

Leipziger Volkszeitung, SACHSEN und MITTELDEUTSCHLAND, Seite 4, 14./15.07.2007


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