Pestizid-Unfall bleibt unaufgeklärt

Unfallverursacher lässt Runden Tisch platzen / Experte antwortet auf LVZ-Fragen

Von Frank Pfütze

Selben. Die Kreiszeitung berichtete bereits mehrfach von einem Pestizid-Unfall mit einem Traktor, der sich in Selben ereignete. Dabei drangen über 1000 Liter Pflanzenschutzmittel unkontrolliert in den Boden ein. Für die fachgerechte, gesetzeskonforme Aufnahme des kontaminierten Bodens gibt es keinen Sanierungsnachweis. Bei Analysen des Bodens wurden unter anderem gefährliche Lösungsmittel ermittelt. Auf Grund der sehr gegensätzlichen Aussagen und zur Klärung hatte die Kreiszeitung die Beteiligten zu einem Rundtisch-Gespräch eingeladen.

Die Kreiszeitung wandte sich deshalb auch mehrfach an den Unfallverursacher, den Zschepener Landwirt Dietmar Mieth, und schlug mehrere Termine für das Gespräch mit Experten vor. Mieth reagierte auf keine einzige Mail oder Einladung und ließ den Runden Tisch platzen. Als Unfallverursacher hat Mieth jedoch Pflichten und Verantwortungen, die sich aus dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz ergeben. Die behördliche Aufsicht hatte der Umweltamtsleiter des Landratsamtes Nordsachsen, Bernhard Voll. Er stellte der Kreiszeitung ein Einsatzprotokoll zu Verfügung, das die Beseitigung des Pestizid-Unfalls dokumentiert. Aber auch dieser Einsatzbericht kann die erfolgreiche Beseitigung des Umweltschadens nicht überzeugend nachweisen. Knackpunkt ist die Frage, ob die Sole, nach dem der kontaminierte Boden ausgehoben war, hätte beprobt werden müssen. Denn genau das ist nicht geschehen. Das Bundesbodenschutzgesetz regelt solche Sanierungsuntersuchungen. Der Umfang der Maßnahmen wird detailliert beschrieben.

Die Kreiszeitung hat Albert Steinert vom akkreditierten Ingenieurbüro Wessling um Aufklärung gebeten. Der promovierte Chemiker sprach von einem „komplizierten und besonderen“ Prozedere. „Ich hätte in einem solchen Fall den kontaminierten Boden rausgenommen und Analysen erstellt, um zu erkennen, was im Boden enthalten ist. Um den Unfall ordentlich aufzuklären, hätte ich auch den verbliebenen Boden zur Beweissicherung beprobt und in einem entsprechend qualifizierten Labor prüfen lassen. Das ist notwendig, um umweltgefährliche Stoffe auszuschließen oder nachzuweisen. Nur so ist eine Gefahr für den verbleibenden Restboden auszuschließen. Erst dann kann er mit gesundem Boden aufgefüllt werden. So wäre ich auf alle Fälle vorgegangen. Ich hätte mich auch erkundigt, ob weitere Mittel dieser Mischung beigefügt worden sind. Denn das ist üblich, um das Pflanzenschutzmittel wasserlöslich zu machen. Unter dem Strich hätte ich nach Klärung all dieser Fragen ein Entsorgungsprotokoll angefertigt“, sagte der vereidigte Sachverständige auf Anfrage dieser Zeitung.

Im Bundesbodenschutzgesetz steht aber auch geschrieben, dass im Einzelfall die Behörde, in diesem Fall das Umweltamt, zur Verfahrensvereinfachung und beschleunigten Bearbeitung Ausnahmen machen kann. Dazu Steinert: „Der Behördenmitarbeiter muss Art und Umfang richtig einschätzen. Ich schlage immer vor, Proben zu nehmen, um sicher zu gehen, dass nichts im Boden drin ist. Proben sind da immer ein guter Beweis.“ Und die gibt es nicht.

Leipziger Volkszeitung, Nordsachsen und Umgebung – LOKALES, Seite 17, 13.10.2009


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